Metta-Meditation: liebende Güte
Hinweise zur Praxis der Metta-Meditation
Die Metta-Meditation ist eine buddhistische Meditationspraxis, die Achtsamkeit mit Freundlichkeit verbindet. «Metta» ist ein Begriff aus der indischen Sprache Pali und bedeutet übersetzt soviel wie «Freundschaft», «liebende Güte» oder «Freundlichkeit».
Die Metta-Meditation ist eine Einladung, uns darin zu üben, uns, unseren Liebsten, ja jedem Lebewesen auf dieser Welt mit Freundlichkeit und Wohlwollen zu begegnen.
Wenn wir regelmässig Metta-Meditationen praktizieren, werden wir vielleicht feststellen, dass mehr Geduld und Gelassenheit Eingang in unser Denken und Fühlen finden – auch während der Interaktion mit Menschen, die uns nicht nahe stehen oder die uns Leid zugefügt haben. Auch das Selbstmitgefühl und das Verständnis für das eigene Erleben können wachsen.
Die Wunschsätze, die im Laufe dieser Meditation gesagt oder gedacht werden, sind wie Samen, die wir ausstreuen in der Absicht, eine heilsame, liebevolle innere Haltung zu kultivieren. Die Früchte, die eine solche Absicht trägt, sind nicht zu unterschätzen: Studien belegen die positiven Effekte von Metta-Meditationen auf unser psychisches Wohlbefinden und die Qualität unserer Beziehungen.*
Sie können die Metta-Meditation so lange praktizieren, wie Sie möchten oder wie es Ihr Terminkalender erlaubt. Ich praktiziere jeweils gerne für 30 bis 45 Minuten; allerdings sind auch kürzere Meditationen wertvoll und heilsam. Und auch eine längere Praxis kann unglaublich bereichern: Sharon Salzberg schreibt in ihrem Buch «Metta Meditation. Buddhas revolutionärer Weg zum Glück»** unter anderem über längere Metta-Retreats und deren heilsamen Wirkungen.
Sie können die nachfolgende Anleitung auf verschiedene Arten nutzen; Sie können beispielsweise
✅ die Anleitung durchlesen und sich dann ohne Audio-Aufnahme ans Üben machen, sich also gewissermassen innerlich selbst anleiten,
✅ zusammen mit einer zweiten Person praktizieren; jemand liest dabei die Anleitung langsam und mit den nötigen Pausen vor und die andere Person übt sich im achtsamen Wahrnehmen und Sein,
✅ basierend auf der Anleitung selbst eine Aufnahme erstellen oder aber
✅ mithilfe der Anleitung wertvolles Hintergrundwissen sammeln und danach mit einer Aufnahme aus dem Internet arbeiten. Sie finden meine geführte, schweizerdeutsch gesprochene Meditation hier: 💟 Metta-Meditation
Suchen Sie sich einen Platz aus, an dem Sie ungestört verweilen können. Ich empfehle Ihnen, sitzend zu meditieren, aber auch die liegende oder stehende Variante ist möglich. Sie können die Augen schliessen oder geöffnet halten.
Wenn Sie im Sitzen meditieren, so sind Sie dazu eingeladen, eine würdevolle Haltung, die zugleich einigermassen bequem ist, einzunehmen; eine Haltung, die Verankerung und Wachheit ausstrahlt.
*Eine interessante Übersichtsstudie dazu ist jene von Ulrich Stangier und Johannes Graser, die 2018 unter dem Titel »Compassion and Loving-Kindness Meditation: An Overview and Prospects for the Application in Clinical Samples« in der Fachzeitschrift »Harvard Review of Psychiatry« erschien.
**Literaturempfehlung: Salzberg, Sharon (2003). Metta Meditation. Buddhas revolutionärer Weg zum Glück. Arbor
Meditationsanleitung: Metta-Meditation
Nehmen Sie sich etwas Zeit, um bei sich anzukommen; nehmen Sie Ihren Platz bewusst ein. Können Sie den Kontakt des Körpers zum Sitzkissen, zur Matte, dem Stuhl oder dem Boden wahrnehmen?
Lassen Sie alle Anspannung los. Die Schultern fliessen entspannt nach unten. Die Bauchdecke ist weich. Die Zähne von Ober- und Unterkiefer berühren sich nicht. Lösen Sie allenfalls sanft die Zunge vom Gaumen. Auch die Muskeln um die Augen herum dürfen loslassen.
Schenken Sie sich nun zwei, drei vertiefte Atemzüge; achten Sie dabei vor allem auf eine langsame, entspannende Ausatmung.
Finden Sie danach in einen natürlichen Atemrhythmus. Können Sie spüren, wie der ein- und ausströmende Atem den Brustkorb bewegt?
Wenn Sie möchten, können Sie nun eine Hand, egal welche, oder beide Hände anheben und zum Brustkorb bringen. Sie können die Hand oder Hände während der gesamten Meditation beim Herzraum aufliegen lassen oder sie zu jedem für Sie passenden Zeitpunkt wieder absenken.
Ich lade Sie ein, sich selbst ganz freundlich, ganz herzlich willkommen zu heissen. Vielleicht mögen Sie sich innerlich mit den Worten «Schön, dass du da bist.» oder «Ich freue mich, dass du da bist.» begrüssen.
Lassen Sie in sich die Absicht entstehen, sich selbst die volle Zuwendung zu schenken; die Absicht, sich liebevoll um dieses Wesen, das jetzt hier sitzt und atmet, zu kümmern.
Verweilen Sie im Kontakt mit sich. Lassen Sie sich auf Ihre Gesamtheit ein; auf alles, was Sie in diesem Moment gerade sind und auf alles, was Sie erleben. Das schliesst wirklich alles ein; Ihr körperliches Erleben, Ihre Gedanken, Ihre Gefühle, Ihr Empfinden, Ihre Stimmung.
Metta, die Freundlichkeit, die Güte, die Sanftmut, ist ein Angebot von Freundschaft an uns selbst und all unsere Erfahrungen. Diese Freundschaft schliesst auch alles ein, was wir als schwierig und herausfordernd empfinden.
Bieten Sie sich selbst Ihre Freundschaft an und schauen Sie, ob es Ihnen im Moment möglich ist, sich in liebevoller Selbstzuwendung zu üben.
Sollten Sie Widerstand empfinden oder andere unangenehme Erfahrungen machen, so möchte ich Sie einladen, auch diese liebevoll zu anerkennen – das ist ebenfalls Metta.
Vielleicht entsteht in Ihnen ein bestimmtes Gefühl von Wohlwollen und Freundlichkeit sich selbst gegenüber. Sie sind herzlich dazu eingeladen, dieses Gefühl zu geniessen.
Vielleicht entsteht kein Gefühl. Falls Sie gerade kein Gefühl wahrnehmen können, so möchte ich Sie ermutigen, gedanklich unbeirrt die Absicht zu kultivieren, gut mit sich selbst umzugehen; respektvoll, liebevoll, feinfühlig.
Möglicherweise unterstützt es Ihre Praxis, wenn Sie vor dem inneren Auge ein Bild von sich in einer Lebenssituation, in der Sie glücklich waren, entstehen lassen und ganz in dieses Wohlbefinden eintauchen.
Oder Sie können auch, wenn Sie dies als hilfreich empfinden, mit der Vorstellung arbeiten, Sie könnten heilsame Atemzüge direkt in den Herzraum schicken, so dass sich die Herzensqualitäten von Metta mit Ihrem Puls in Körper und Geist ausbreiten.
Halten Sie sich in diesem Feld von Freundlichkeit, in dieser warmen, sanften Umarmung der Selbstzuwendung. Begegnen Sie all Ihren Erfahrungen mit dieser Freundlichkeit.
Manchmal mag es uns schwer fallen, uns unsere Zuneigung zu schenken. Wir haben vielleicht den Eindruck, das sei egoistisch. Aber Sie sind es wert, Ihre eigene Liebe zu empfangen. Sie sind in jedem Augenblick überaus wertvoll und ein Geschenk für diese Welt. Ab dem Moment, ab dem Sie sich selbst zu lieben beginnen, werden Sie wahrhaft frei.
Und wenn Sie mögen, können Sie gedanklich oder hörbar die folgenden vier Sätze sprechen:
1) «Möge ich glücklich sein.» Sprechen Sie innerlich oder hörbar mit liebevoller Stimme und spüren Sie nach, was der Satz in Ihnen auslöst. Was auch immer es ist: Begegnen Sie dem, was sich Ihnen zeigt, mit Freundlichkeit; mit Metta.
2) «Möge ich mich sicher und geborgen fühlen.»
3) «Möge ich gesund sein.» Oder, falls Sie sich gerade nicht gesund fühlen: «Möge ich mich so annehmen können, wie ich jetzt gerade bin.»
4) «Möge ich mit Leichtigkeit leben.»
Bedenken Sie: Es ist eine intentionale Praxis; es geht um die Absicht. Wir dürfen uns von jeglichem Druck lösen; es muss im Moment nichts getan, nichts unternommen werden; es reicht, mit diesen Sätzen da zu sein.
Wiederholen Sie die vier Sätze nochmals:
1) «Möge ich glücklich sein.»
2) «Möge ich mich sicher und geborgen fühlen.»
3) «Möge ich gesund sein / mich so annehmen können, wie ich jetzt gerade bin.»
4) «Möge ich mit Leichtigkeit leben.»
Spüren Sie den Sätzen für einige Atemzüge nach. Wie geht es Ihnen jetzt?
Lassen Sie dann vor dem inneren Auge das Bild eines Menschen entstehen, den Sie von ganzem Herzen lieben. Das kann jemand aus Ihrer Familie sein oder ein guter Freund, eine gute Freundin und / oder jemand, der Sie inspiriert und auf Ihrem Lebensweg unterstützt.
Halten Sie das Bild dieses lieben Menschen vor dem inneren Auge wach und lebendig. Lassen Sie dann auch diesem Menschen die vier Wunschsätze zukommen; direkt von Herz zu Herz – selbst wenn das Gegenüber nicht physisch anwesend ist.
1) «Mögest du glücklich sein.»
2) «Mögest du dich sicher und geborgen fühlen.»
3) «Mögest du gesund sein / dich so annehmen können, wie du jetzt gerade bist.»
4) «Mögest du mit Leichtigkeit leben.»
Wiederholen Sie auch diese Sätze noch einmal, so dass Sie schliesslich jeden Satz zweimal gedacht oder ausgesprochen haben. Fühlen Sie den Sätzen nach.
Lassen Sie dann vor dem inneren Auge das Bild von unserem Planeten entstehen, so, als würden Sie vom Weltall auf die Erde blicken. Und irgendwo auf diesem Planeten sitzen und meditieren Sie. Stellen Sie sich vor, wie die liebende Güte von diesem winzigen Fleckchen, wo Sie sind, ausgeht und nach und nach die ganze Erde überzieht und einschliesst; ausnahmslos jeden Menschen, jedes Tier, jede Pflanze; alles Leben.
Und wenn Sie möchten, können Sie gedanklich oder hörbar die folgenden vier Sätze sprechen:
1) «Mögen alle Lebewesen glücklich sein.»
2) «Mögen sich alle Lebewesen sicher und geborgen fühlen.»
3) «Mögen alle Lebewesen gesund sein oder sich so annehmen können, wie sie jetzt gerade sind.»
4) «Mögen alle Lebewesen mit Leichtigkeit leben.»
Auch hier sind Sie dazu eingeladen, die vier Sätze zu wiederholen. Bleiben Sie dabei wach und präsent; werden Sie nicht mechanisch im Repetieren. Lassen Sie sich ganz in die Absicht fallen, Gutes in diese Welt auszusenden. Verbinden Sie sich mit der heilsamen Qualität von Metta.
Wenn Sie möchten, können Sie sich nun noch einmal sich selbst zuwenden. Falls Sie in der Zwischenzeit die Hand oder Hände gesenkt haben, können Sie sie nochmals zum Brustkorb bringen.
1) «Möge ich glücklich sein.»
2) «Möge ich mich sicher und geborgen fühlen.»
3) «Möge ich gesund sein / mich so annehmen können, wie ich jetzt gerade bin.»
4) «Möge ich mit Leichtigkeit leben.»
Und auch jetzt sind Sie dazu eingeladen, jeden Satz ein zweites Mal gedanklich oder hörbar zu sprechen.
Um die Meditation sanft zu beenden, können Sie sich genau so viel Zeit schenken, wie Sie brauchen. Vielleicht tun Ihnen nochmals einige bewusste Atemzüge gut. Oder ein sanftes Bewegen des Kopfes, um den Nacken zu entspannen. Oder ein Strecken, Dehnen oder Gähnen. Oder ein Kreisen der Hand- oder Fussgelenke. Begleiten Sie sich sanft und liebevoll – also mit Metta – aus der Meditation heraus.