Yoga: Die verschiedenen Stilrichtungen
Allgemeine Einordnung: Herkunft und Tradition des Yoga
Yoga wird in Indien seit ungefähr 3500 Jahren praktiziert. Viele der damaligen religiösen und spirituellen Bräuche sind jedoch noch immer unbekannt, da noch nicht alle der alten Schriften entschlüsselt werden konnten.
Bereits übersetzte schriftliche Quellen sind beispielsweise die »Vedas«; uralte Textsammlungen von ca. 1500 v. Chr. Damals hatte Yoga viel mit Opferhandlungen und Ekstasetechniken zu tun.
Eine weitere schriftliche Quelle – nämlich das »Yoga-Sutra« des Patañjali – stammt aus der Zeit um 400 n. Christus. Das Yoga-Sutra enthält Anweisungen, wie der Geist zu Stabilität, Klarheit und Stille finden kann.
Der daraus etwas später (etwa im 8. Jahrhundert n. Chr.) entwickelte Hatha Yoga bezieht auch den Körper mit ein: Im Hatha Yoga wird gelehrt, wie man über den Körper und die Atmung auf die Geistesverfassung einwirken kann.
Und: Der Yoga, wie wir in heute kennen, kam relativ spät in den Westen. 1893 trat Swami Vivekananda in Chicago beim »Weltparlament der Religionen« auf, begeisterte sein Publikum für die Geisteswelt Indiens und unternahm schliesslich eine Tournee durch die USA, bei der er über den Hinduismus und Yoga lehrte. Der körperbetonte Hatha Yoga und der klassische Yoga Patañjalis traten in Europa erstmals um 1930 auf. (Trökes, 2019. Seiten 10, 18, 24 und 36)
Die obigen Ausführungen sind natürlich eine verknappte Darstellung; Yoga hat eine sehr lange Tradition und war und ist je nach geschichtlicher Phase und damaligen sowie heutigen Stilrichtungen mal stärker, mal schwächer, mal gar nicht von religiösen Elementen geprägt.
Für einen vertieften Einblick über die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung des Yoga empfehle ich »Das grosse Buch vom Yoga« von Anna Trökes.
In diesem Blogeintrag sollen die verschiedenen Stilrichtungen im Vordergrund stehen (im Wissen, dass es auch hier Abwandlungen und eine Vielzahl von weiteren, etwas weniger verbreiteten Varianten gibt – kein Wunder, bei einer mehrtausendjährigen Praxis!).
Die verschiedenen Stilrichtungen (siehe auch Quellenangaben unten)
Die meisten Schulen bieten auf ihren Websites und Flyern Hatha-Yoga an. Dies mag zu Verwirrung führen, denn Hatha Yoga ist sowohl eine eigene Stilrichtung (langsame, intensive Übungen, Meditationen und Pranayamas; für Einsteiger*innen und Fortgeschrittene geeignet) als auch der Überbegriff für die meisten Yoga-Stilrichtungen, die bei uns im Westen praktiziert werden.
Die verschiedenen Stilrichtungen, die sich aus dem Hatha-Yoga entwickelt haben, legen dabei unterschiedliche Schwerpunkte; bei einigen stehen Körperübungen im Vordergrund, andere fokussieren auf spirituelle Aspekte.
- Iyengar-Yoga:
→ Begründet von B. Iyengar (Indien).
→ Kraftvoller, körperorientierter Yoga. Die präzise Ausrichtung jedes einzelnen Asanas steht im Vordergrund.
→ Bedingt geeignet für Anfänger*innen.
- Ashtanga-Yoga:
→ Begründet von P. Jois (Indien).
→ Kraftvoller, körperorientierter Yoga. Lange, dynamische Übungsreihen.
→ Bedingt geeignet für Anfänger*innen.
- Yoga der Energie:
→ Begründet von L. Ferrer und R. Clerc (Frankreich; Paris).
→ Kraftvoller Yoga inklusive Fokus auf Atmung, Konzentration, Meditation, Visualisierungen, Mantra-Singen und Studium klassischer Texte.
→ Für Anfänger*innen und Fortgeschrittene geeignet.
- Vini-Yoga:
→ Begründet von Sri Krishnamacharya und seinem Sohn Desikachar (Indien).
→ Verbindung von Hatha-Yoga und Philosophie von Patañjali. Therapeutisch ausgerichtet und an Bedürfnissen der Übenden orientiert; auch geeignet bei physischen Beeinträchtigungen.
→ Für Anfänger*innen, Fortgeschrittene und bei Schmerzen / Krankheiten geeignet.
- Sivananda-Yoga:
→ Begründet von Swami Sivananda (Indien).
→ Hatha-Yoga inklusive Kurse in Philosophie, Meditation und Ernährungslehre.
→ Für gesunde, fitte Menschen geeignet.
- Kundalini-Yoga:
→ Begründet von Yogi Bhajan (Indien).
→ Hatha-Yoga mit intensiven Körper- und Atemübungen; dazu Mantra-Singen, Ernährungslehre und Lehre zur gesunden Lebensführung.
→ Für gesunde, fitte Menschen geeignet.
- Kriya-Yoga
→ Bekanntester Vertreter: Yogananda.
→ Im Vordergrund stehen Meditationen und geistige Schulungen. Daneben Körper- und Atemübungen.
→ Für Anfänger*innen und Fortgeschrittene geeignet.
- Integraler Yoga:
→ Begründet von Sri Aurobindo (Indien).
→ Hauptsächlich geistiger Weg; Selbsterfahrung und Meditation im Vordergrund.
→ Für jedermann mit einer gewissen psychischen Stabilität geeignet.
- Vinyasa Flow:
→ Abwandlung des Ashtanga-Yoga.
→ Kombination klassischer Asanas zu kreativen, anstrengenden Bewegungsabfolgen (Flow). Intensive Atemführung. Mit Musik.
→ Für gesunde, fitte Menschen geeignet.
- Yin-Yoga:
→ Begründet von P. Zink (Kampfkunstmeister und Yogalehrer), weiterentwickelt von P. Grilley und S. Powers (USA).
→ Asanas werden zwei bis drei Minuten gehalten; der Körper entspannt sich in die Haltungen hinein. Erfahrung tiefer Entspannung. Intensive Dehnung von Faszien.
→ Für Personen geeignet, die sich entspannen und ihre Flexibilität erhöhen möchten.
- Jivamukti Yoga:
→ Begründet von S. Gannon und D. Life (USA).
→ Kraftvoller, schweisstreibender Stil, der fliessend und zu Musik ausgeführt wird. Lehrpersonen korrigieren Lernende mit Körpereinsatz. Meditation sowie Studium der altindischen Schriften und Philosophien; Rezitieren von Mantren. Pflege eines veganen Lebensstils.
→ Geeignet für Menschen, die Yoga ganzheitlich (inklusive vegane Ernährung) und in der Gemeinschaft leben möchten.
- Daneben gibt es beispielsweise noch:
→ Acro Yoga zu zweit,
→ Aerial Yoga,
→ Stand-up Paddle Yoga mit Fokus auf Gleichgewichtsübungen,
→ Yoga Dance,
→ Lach-Yoga,
→ Gesichtsyoga zum Trainieren der Gesichtsmuskeln,
→ Karma Yoga (Herzreinigung und Beseitigung von Nervosität),
→ Crossfit-Yoga,
→ Trantra Yoga (Spiritualität durch Sexualität / Erleuchtung durch Ekstase),
→ usw.
Wahl einer geeigneten Yoga-Schule
Wie soll man bei dieser Vielzahl an Stilrichtungen den Überblick behalten, geschweige denn eine geeignete Yoga-Schule auswählen können?
Ich empfehle, je nach Bedürfnis und aktueller Lebenssituation eine grobe Vorauswahl zu treffen, z.B. anhand folgender Kriterien:
- Für Anfänger:innen und Fortgeschrittene:
Hatha-Yoga (als separate Stilrichtung), Yoga der Energie, Vini-Yoga, Kriya-Yoga, Integraler Yoga, Yin-Yoga
- Eher für Fortgeschrittene:
Iyengar-Yoga, Ashtanga-Yoga, Jivamukti-Yoga
- Für körperlich fitte Personen (Anfänger:innen oder Fortgeschrittene):
Sivananda-Yoga, Kundalini-Yoga, Vinyasa Flow - Bei Schmerzen und weiteren physischen Beeinträchtigungen:
Vini-Yoga - Zur Entspannung und Erhöhung der Flexibilität:
Yin-Yoga - Mit Hauptgewicht auf Meditation und Studium der Philosophie des Yoga:
Integraler Yoga, Kriya-Yoga - Yoga als Lebensstil (inkl. Veganismus):
Jivamukti-Yoga
In einem zweiten Schritt empfiehlt es sich, die Angebote Ihrer Umgebung in Erfahrung zu bringen, z.B. indem Sie regionale Yoga-Schulen googeln. Manche Yoga-Schulen geben auf ihren Homepages allerdings nur an, Hatha-Yoga anzubieten – ein Telefonat zur genaueren Erfragung der Stilrichtung und / oder der Besuch einer Yoga-Probelektion sind lohnenswert.
Stay tuned! Eine sanfte Yoga-Sequenz für Einsteiger:innen und zur Entspannung wird bald hier verlinkt werden (Elemente von Yin-Yoga, Vini-Yoga und Yoga der Energie).
Quellen:
- Asanayoga, https://www.asanayoga.de/category/yogastile/, gesehen am 11.07.22
- Trökes, Anna (2019). Das grosse Buch vom Yoga. Ganzheitliche Wege. Gräfe und Unzer
- Yoga-Stile, https://www.yogaeasy.de/artikel/welcher-yoga-stil-passt-zu-mir, gesehen am 11.07.22
- Yoga-Stilrichtungen, https://www.jadeyoga.ch/yoga-stile/, gesehen am 11.07.22