Kommunikationsstile nach Jon Kabat-Zinn
Jon Kabat-Zinn gilt als Vater der im Westen praktizierten Form der Achtsamkeitsmeditation. Er ist Begründer des MBSR-Programms. Im Rahmen der Entwicklung seines Programms hat er sich ausführlich mit achtsamer Kommunikation befasst. In seinem Arbeitsbuch für Stressreduktion (siehe Quellenangabe) stellt er drei grundlegende Kommunikationsstile vor: passiv – bestimmt – aggressiv.
Selbstredend liegt dem Modell eine starke Vereinfachung zugrunde, dennoch kann uns die Gegenüberstellung wertvolle Hinweise zu unserem eigenen Kommunikationsverhalten liefern. Die meisten Menschen zeigen in ihrem Verhalten eine Mischform der drei Stilrichtungen.
Wo erkennen Sie sich wieder?
1. Verbales Verhalten
- PASSIV: Sie vermeiden zu sagen, was Sie wirklich wollen, denken und fühlen. Sie drücken sich unbestimmt oder gar nicht aus. Sie erlauben anderen, für Sie zu entscheiden.
- BESTIMMT: Sie können ehrlich ausdrücken, was Sie wollen, denken und fühlen. Sie kommunizieren mit Taktik und Humor. Sie sprechen in der Ich-Form und treffen Ihre eigenen Entscheidungen.
- AGGRESSIV: Sie sagen, was Sie wollen denken und fühlen, ohne Rücksicht auf die anderen. Häufig benutzen Sie Du-Zuweisungen, die anderen Schuld zuweisen und sie beleidigen.
2. Nichtsprachliches Verhalten
- PASSIV: Sie agieren lieber, als dass Sie sprechen, und hoffen, dass die anderen Ihre Wünsche erraten. Ihre Stimme ist leise und zögernd. Sie vermeiden Augenkontakt und halten grossen Abstand von anderen. Sie fühlen sich angespannt.
- BESTIMMT: Sie können zuhören und treten ruhig und selbstbewusst auf. Sie sprechen mit klarer, ausdrucksvoller Stimme. Sie schauen andere direkt, aber nicht starr an. Ihre Hände und Ihr Körper sind entspannt, der Kopf ist aufrecht und Sie neigen sich der anderen Person leicht zu.
- AGGRESSIV: Sie präsentieren sich als überlegen. Ihre Stimme ist laut und fordernd. Sie schauen mit verengtem, kühlem und starrem Blick. Dabei fixieren Sie Ihr Gegenüber. Sie bedrängen die andere Person. Ihre Hände sind geballt oder Sie zeigen ständig auf die andere Person.
3. Kommunikationsziele
- PASSIV: Sie möchten gemocht werden.
- BESTIMMT: Sie suchen Austausch und möchten respektiert werden.
- AGGRESSIV: Sie möchten andere dominieren oder erniedrigen.
4. Gefühle
- PASSIV: Gefühle von Sorge, Verletztsein, Benutztwerden und Unzufriedenheit mit sich selbst überwiegen. Sie sind oft ärgerlich, was Sie sich dann selbst übelnehmen.
- BESTIMMT: Gefühle von Sicherheit und Erfolg überwiegen. Sowohl während als auch nach Gesprächen fühlen Sie sich gut. Sie respektieren sich selbst und Ihr Gegenüber. Sie agieren zielorientiert.
- AGGRESSIV: Selbstgefälligkeit und das Gefühl, besser zu sein als die anderen, überwiegen. Sie haben ein extremes Bedürfnis nach Kontrolle. Manchmal schämen Sie sich für Ihren Egoismus.
5. »Vorteile« des jeweiligen Verhaltens
- PASSIV: Sie vermeiden unangenehme Situationen, Konflikte, kurzfristige Spannungen und Konfrontationen. Sie müssen keine Verantwortung für Ihre Entscheidungen übernehmen.
- BESTIMMT: Auch gespannte Situationen fördern Ihren Respekt für sich und Ihr Gegenüber. Auch körperlich verspannen Sie sich kaum. Sie sind in Kontakt mit Ihren Gefühlen und treffen Ihre Entscheidungen bewusst.
- AGGRESSIV: Sie machen Ihrem Ärger Luft und fühlen Sie in Kontrolle. Sie empfinden sich als anderen überlegen.
6. Auswirkungen auf andere
- PASSIV: Bei Ihrem Gegenüber entstehen Gefühle wie Überlegenheit, Schuld, Frustration oder Ärger.
- BESTIMMT: Ihr Gegenüber fühlt sich ernst genommen und respektiert und ist frei, sich zu offenbaren.
- AGGRESSIV: Ihr Gegenüber fühlt sich verletzt, erniedrigt oder bevormundet.
7. Gefühle anderer für Sie
- PASSIV: Ihr Gegenüber ist verwirrt, bemitleidet Sie oder wertet Sie ab. Frustration und Abneigung entstehen. Respekt geht verloren, weil Sie alles mit sich machen lassen. Niemand weiss, wo Sie eigentlich stehen.
- BESTIMMT: Viele respektieren Sie und vertrauen Ihnen. Sie geniessen Wertschätzung und Achtung. Ihr Gegenüber weiss, wo Sie stehen.
- AGGRESSIV: Verletztsein und das Bedürfnis, sich gegen Sie verteidigen zu müssen, herrschen vor. Sie werden gefürchtet und gemieden oder bekämpft. Vertrauen wird Ihnen nicht entgegengebracht.
8. Wahrscheinliche Ergebnisse
- PASSIV: Sie erreichen kaum, was Sie möchten; wenn dann nur indirekt. Sie werden ausgenutzt und verletzt. Ärger staut sich auf, den Sie in sich hineinfressen oder an noch Schwächeren auslassen. Sie leiden in Stille, werden zögerlich, vergesslich oder nachlässig. Sie fühlen sich isoliert.
- BESTIMMT: Sie erreichen viel. Ihr Selbstwertgefühl steigt und Sie fühlen sich gut. In Auseinandersetzungen erreichen Sie Ergebnisse, die für beide Seiten vorteilhaft sind. Ihre Rechte und die des Gegenübers werden respektiert.
- AGGRESSIV: Sie erreichen Ihre Ziele oft, jedoch auf Kosten der anderen. Sie verletzen andere, indem Sie für sie entscheiden und sie dadurch erniedrigen. Andere mögen danach trachten, es Ihnen heimzuzahlen. Sie haben zunehmend Probleme, sich zu entspannen und abzuschalten.
aus: Kabat-Zinn, Jon (1998). The Stress Reduction and Relaxation Program Workbook. Worcester: University of Massachusetts Medical Center
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- In meinem MBSR-Kurs ist achtsame Kommunikation und Umgang mit unangenehmen zwischenmenschlichen Situationen Bestandteil des Moduls 6. Hier geht’s zur Kursausschreibung: MBSR-Kurs
- In meinen Literaturlisten finden Sie Hinweise zu Büchern über achtsame Kommunikation: Literaturliste 1 und Literaturliste 2