Spiritueller Materialismus

In jedem Moment, in dem wir achtsam sind, sind wir am Ziel. Es gibt keinen Vorsprung, keinen Rückstand, wenn wir achtsam sind. 

Vielleicht glauben wir, die Momente der Ganzheit auf dem Weg zum Ganzsein vermehren oder verlängern zu können, wenn wir dieses oder jenes Buch gelesen haben, wenn wir herausfordernde Yoga-Figuren meistern oder fastend von fünf Uhr morgens bis 22 Uhr abends meditieren. Wir häufen Bücher und Buddha-Statuen an, hängen uns Mala-Ketten um und sind stolz, wenn wir noch eine siebte Atemtechnik erlernt haben. Dahinter steckt oft nichts anderes als der Wunsch, uns in eine Ganzheit hinein zu arbeiten; uns eine innere Harmonie, eine Teilhabe am Leben zu erkämpfen. 

Aber: Wir brauchen nicht zu kämpfen. Wir werden nicht vollständiger, nicht «ganzer», wenn wir einen noch grösseren Berg an sichtbarem Potenzial zu spirituellem Wachstum anhäufen. Wir werden nicht heiler, wenn die Ablagen unseres Büchergestells unter dem Gewicht der Wälzer durchhängen. 

Warum nicht? 

Weil es keinen Weg zur Ganzheit gibt. Wir sind schon ganz. Wir sind da, vollständig, angekommen, wenn wir diesen Moment bewusst wahrnehmen und annehmen. Jeder Mensch – völlig egal, ob er «Jetzt! Die Kraft der Gegenwart» von Eckhart Tolle gelesen hat oder die Taube «Kapotasana» elegant zu meistern weiss oder nicht – kann jederzeit ganz sein; kann jederzeit im Strom der Vollständigkeit ein Bad nehmen. 
Einfach, indem er oder sie ganz da ist, anwesend und urteilsfrei im gegenwärtigen Moment. Ganzheit muss nicht unter Mühsal und über Jahre hinweg errungen werden. Sie ist die natürliche Konsequenz unserer Existenz. 

Ich möchte Sie zur Teilhabe an Ihrer stets gegebenen Ganzheit mittels Achtsamkeit ermutigen und nicht zu einer wahnhaften Selbstoptimierung. Sie sind bereits perfekt. Und zugleich sind Wachstum und Heilung möglich.