Abgrenzen



Hand aufs Herz: Abgrenzen kann verdammt schwer sein. So schnell ist Ja gesagt - obwohl wir doch eigentlich Nein gedacht haben. Obwohl wir doch keine Zeit, keine Lust oder keine Energie haben. Warum ist das so? Und wie können wir uns selbst beim Abgrenzen unterstützen? 


Warum fällt Abgrenzen oft schwer?

➡️ Vielleicht sind wir uns unseres eigenen Wertes noch nicht bis in die Tiefe bewusst oder verspüren noch nicht so viel Selbstliebe.
➡️ Wir alle haben das urmenschliche Bedürfnis, von unseren Mitmenschen geliebt und geschätzt zu werden.
➡️ In der Altsteinzeit war unsere Teilhabe an der Gruppe lebensnotwendig! Gegenseitige Unterstützung glich einem Tauschhandel, um zu überleben; Ja-Sagen zu Bitten von Clan-Mitgliedern war unabdingbar. In der heutigen komplexen und viel grösseren Gesellschaft untergräbt permanentes Ja-Sagen unser Wohlbefinden.



Warum ist Abgrenzen wichtig?

✅ Schutz der eigenen Energie und Bedürfnisse

✅ Erhalt oder Stärkung des Selbstwertes

✅ Erhalt der eigenen Glaubwürdigkeit

✅ Konfliktfreieres Kommunizieren (weil kein impliziter Ärger aufgebaut wird)


Sätze, die aus meiner Sicht problematisch sind:

⛔ «Nimm dich nicht so ernst.» → Doch! Nehmen Sie sich ernst! Sie sind wertvoll! Und Sie sind es wert, Ihr eigenes Erleben zu anerkennen.

⛔ «Sei doch mal so lieb...» → Jemandem zu helfen, hat nichts mit der eigenen Liebenswürdigkeit zu tun! Wir sind stets liebenswert.

⛔ «Das macht dir doch nichts aus, oder?» → Suggestiv und übergriffig; ob uns eine Sache etwas ausmacht oder nicht, soll und muss in unserem Ermessen liegen!


Was tun, wenn jemand mit einer Bitte oder Forderung an Sie herantritt?

1️⃣ Wenn Sie direkt spüren, dass Ihnen ein «Nein» guttun würde, dann sagen Sie es sofort. Diesen ersten Impuls also nicht ignorieren und möglichst umgehend kommunizieren (auch im Sinne der Fairness gegenüber der anderen Person).

2️⃣ Wenn Sie unsicher sind: unbedingt Bedenkzeit erbitten! Kein vorschnelles Reagieren. Fordert Ihr Gegenüber eine sofortige Antwort, dann lehnen Sie die Bitte ab, also sagen Sie «Nein».

3️⃣ Nehmen Sie bei einer Bitte wahr: 
 → Möchte ich das überhaupt? 
 → Habe ich Zeit dazu? 
 → Reicht meine Energie?
 → Setzt mich das unter Druck? 
 → Welche Körperempfindungen entstehen, wenn ich die Bitte höre? (Hitzewallungen, Kälte, Gefühllosigkeit, Anspannung, Nervosität – all dies sind Signale, dass die Forderung für Sie nicht in Ordnung ist!) 
 → Wie fühlt sich mein Bauch an (Bauchgefühl), wenn ich «Ja» sage? Wie fühlt er sich an, wenn ich «Nein» sage?

4️⃣ Entscheiden Sie umsichtig, wie viele Erklärungen nötig sind. Tendenziell: Bei Personen, die Ihnen sehr nahestehen, kann eine Erklärung hilfreich sein, damit dem Gegenüber klar wird, dass Ihnen die Beziehung wichtig ist. Im beruflichen Umfeld reicht eine knappe, sachliche Begründung. Es gibt nichts zu rechtfertigen und nichts zu entschuldigen!

5️⃣ Bleiben Sie konsequent: Wenn Sie es geschafft haben, Ihr Nein zu kommunizieren, dann bleiben Sie dabei. Andernfalls wird in der Beziehung mit dieser Person jedes Ihrer «Neins» zu einem Kampf.

6️⃣ Abgrenzung ist kein Weltuntergang – im Gegenteil! 😊 Sie wird Ihre Beziehungen und Ihr Selbstwertgefühl sogar stärken und nicht schwächen.



Einige Beispielsätze:

✴️ «Grundsätzlich bin ich gerne für dich da, denn du bedeutest mir viel, aber just am kommenden Wochenende bin ich komplett verplant mit nicht verschiebbaren, für mich sehr wichtigen Terminen.»

✴️ «Ich kann nachvollziehen, dass du in einer herausfordernden Situation bist, aber mir fehlt im Moment selbst die Zeit / die Energie, dir die Unterstützung zu bieten, die du brauchst. Könnte dir vielleicht ... helfen?»

✴️ «Danke für die Anfrage. Aktuell lässt sich dieses Projekt nicht in meinen ausgefüllten Kalender integrieren. Ich drücke die Daumen, dass ihr kompetente Unterstützung findet.»

✴️ «Es ist absolut unrealistisch, dass ich in den kommenden Monaten die Stellvertretung übernehmen kann; bereits jetzt ist meine Aufgabenmenge am oberen Limit.»



Fünf hilfreiche Tipps:

1️⃣ Machen Sie sich bewusst: Ihre Bedürfnisse sind genauso wertvoll wie die Ihres Gegenübers! Es gibt keinen Grund, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse permanent unterzuordnen.
2️⃣ Spüren Sie jedes Mal in sich hinein, wenn Sie sich erfolgreich abgegrenzt haben. Wie fühlen Sie sich? Manchmal vielleicht mulmig oder gar beschämt, manchmal vielleicht stolz und freudvoll. Falls Sie sich unwohl fühlen: Welcher Gedanke plagt Sie auch nach dem erfolgreichen Abgrenzen noch? Können Sie absolut sicher sein, dass dieser Gedanke a) völlig richtig und b) wertvoll für Sie ist? Falls nicht, lassen Sie ihn los – er ist entweder unwahr oder nicht hilfreich.
3️⃣ Ein qualitativ hochwertiges Nein ist ein liebevolles Ja zu sich selbst – und ein ruhig (also ohne Aggression) kommuniziertes Nein an die andere Person.

4️⃣ Meditationen zum Thema Selbstliebe helfen dabei, sich souverän abzugrenzen. Selbstliebe stärkt unser Bewusstsein dafür, dass unser Wert dem Wert anderer Menschen in nichts nachsteht!
Hier finden Sie zwei Meditationen zum Thema Selbstliebe:
💟 Meditation Selbstliebe A
💟 Meditation Selbstliebe B

5️⃣ Schneiden Sie sich «eine Scheibe Egal» ab. Vieles ist erstaunlich unwichtig. Wird sich Ihr Gegenüber in einem Jahr noch daran erinnern, welche Bitte Sie abgelehnt haben? Wie denken Sie selbst wohl über die Situation, wenn Sie 90 Jahre alt sind?




Viel Erfolg beim nächsten Nein-Sagen! 💪🥰🌱 You've got it!