Nach Bewusstheit streben
Als Kind pflegte ich mich auf meinen violetten Bürostuhl zu setzen - die Lehne hielt mich gerade aufgerichtet -, die Augen zu schliessen und meine Atemzüge wahrzunehmen. Ohne zu wissen, dass das Meditieren ist.
Nach dem sonntäglichen Essen im Familienkreis zog ich mich zurück und machte Körperübungen, die ich heute als Yoga erkenne.
Mit 14 Jahren gestaltete ich ein Holzschild, das ich über meine Zimmertür hängte. «Temet Nosce.» - «Erkenne dich selbst.» Es war mir unklar, wie tiefgreifend diese Aufforderung ist; ich erahnte nur, dass sie für mein Sein bedeutsam ist.
Alles in uns strebt danach, bewusst zu werden. Manchmal zeigt sich dieses Streben deutlich, beispielsweise im intensiven Bedürfnis nach Stille und Frieden oder in einem Gefühl von Deplatziertheit, das sich uns schmerzhaft bemerkbar macht. Manchmal zaghaft; zum Beispiel in einer leisen Melancholie, die uns hin und wieder streift.
Es gibt nichts weiter zu tun, als diesem Streben nach Bewusstheit stattzugeben.
Wie?
Indem wir uns in geistige Geschmeidigkeit, in völlige Widerstandslosigkeit gegen den Augenblick, fallen lassen.
Indem wir aufwachen für unser Erleben - ohne zu glauben, wir seien das Erleben, das wir haben.
Wie lange dauert das Aufwachen?
Einen Wimpernschlag. Hier und jetzt können Sie gegenwärtig sein.
Was erleben Sie jetzt, in diesem Augenblick?
Wie fühlt sich Ihr dasitzender Körper an?
Wie geht es dem Wesen, das jetzt hier ist und atmet?
Können Sie in Ruhe mit dem sein, was ist?
Wenn nicht: Was geschieht mit Widerstand, wenn Sie ihn vollumfänglich zulassen?