Die Macht der Gewohnheit

Begriffsdefinition

Im Wörterbuch wird Gewohnheit folgendermassen definiert:

»Gewohnheit: das, was man immer wieder tut, sodass es schon selbstverständlich ist; zur Eigenschaft gewordene Handlungsweise«

 

Die Definition zeigt: Oft bemerken oder hinterfragen wir Gewohnheiten nicht (mehr); nach einer Weile werden sie uns zur »zweiten Natur«: Sie fühlen sich durch das jahrelange, meist ungeprüfte Ausüben natürlich an.

 

Dabei sind manche Gewohnheiten mehr oder weniger offensichtlich hilfreich, während uns andere in unserer Entwicklung und auf unserem Weg zu mehr Freiheit und Authentizität ausbremsen.

 

Von der Wandelbarkeit der Gewohnheiten

Kai Romhardt (2011) schreibt:

»Gewohnheiten sind nichts Statisches. Sie sind kraftvolle Energiemuster. Sie ziehen Handlungen an.«

 

Gewohnheiten können grosse Macht über uns ausüben. Insbesondere im Hinblick auf Gewohnheiten, die uns und / oder anderen schaden, mag dies abschrecken; doch wir dürfen wissen, dass sich Gewohnheiten an- oder abtrainieren lassen. Wie Romhardt in seinem obigen Zitat schreibt: Statisch sind Gewohnheiten nicht.

 

Wie aber kann man hilfreiche Gewohnheiten auf- und schädigende Gewohnheiten abbauen?

 

Gewohnheiten selbst gestalten

Wir sind unseren Gewohnheiten nicht ausgeliefert. Folgende Schritte können dabei helfen, Gewohnheiten gezielt zu gestalten:

 

1. Schritt: Gewohnheiten bemerken

Achtsamkeit hilft uns, Gewohnheiten auf die Schliche zu kommen. Die im MBSR-Kurs erlernten Übungen zeigen uns auf, in welchen Lebensbereichen und unter welchen Umständen wir gewohnheitsmässig (re)agieren.

 

2. Schritt: Die Wirkung der Gewohnheit auf das eigene Leben abwägen

Gewohnheiten sind nicht per se schlecht. Viele Gewohnheiten können die gesunde Lebensführung unterstützen, und das routinierte Handeln entlastet unser Hirn. 

Achtsamkeit hilft zu bemerken, ob uns oder unserem Umfeld eine Gewohnheit schadet oder nicht. Wenn Sie sich wiederholt bei Tätigkeiten oder Gedankenmustern ertappen, die in Ihnen oder anderen auf Dauer ungute Zustände hervorrufen, handelt es sich meist um unheilsame Gewohnheiten. Diese können sowohl körperlicher, als auch geistiger Natur oder gar eine Kombination aus beidem sein, z.B.:

  •  Alkoholismus, regelmässiger Verzicht auf genügend Schlaf, 
  •  innerliches Schelten bei Fehlern, permanentes Vergleichen mit anderen unter Selbstabwertung,  
  •  Knabbern an den Fingernägeln aufgrund von innerer Nervosität, …

Wertvolle Gewohnheiten hingegen tun Ihnen nachhaltig gut, beispielsweise: Gesundes frühstücken, die abendliche Joggingrunde, regelmässige Meditation, achtsames Zuhören, sich Zeitfenster fürs Alleinsein einplanen, …

 

3. Schritt: Unsere Erinnerung unterstützen

Hartnäckige Gewohnheiten abzubauen fällt schwer – insbesondere in stressigen Phasen fallen wir oft in alte Muster zurück. Ebenso schwer kann es fallen, eine zwar heilsame, doch mit gewissen anfänglichen Widerständen verbundene Gewohnheit aufzubauen (z.B. frühmorgendlicher Sport).

Hilfreich sind hierbei Reminder verschiedener Art, zum Beispiel:

  •  Notieren Sie sich die positiven Effekte, die frühmorgendlicher Sport mit sich bringt (z.B. Ausgeglichenheit, Erhöhung der Stressresistenz, Ankurbelung des Kreislaufes und der Verdauung, Erwärmung des Körpers, definiertere Silhouette, ganztägig erhöhte Fettverbrennung, bessere Blutwerte, …). Lesen Sie diese Reminder vor Ausübung der Aktivität durch, um Ihre Motivation zu stärken und sich mit der Absicht der erstrebenswerten Gewohnheit zu verbinden.
  •  Wenn Sie Ihre Kreditkarte zu Hause lassen und nur wenig Bargeld mitnehmen, fällt es Ihnen leichter, nur die wirklich nötigen Einkäufe zu tätigen. Sie können aber auch ein Post-it auf Ihr Portemonnaie kleben, um sich an den Vorsatz, sparsam mit Ihrem Geld umzugehen, zu erinnern.

 

4. Schritt: Den Gewohnheiten den Boden entziehen

»Gelegenheit macht Diebe.« Dieses alte Sprichwort lässt sich auch auf Gewohnheiten anwenden: Wenn die unheilsamen Gewohnheiten nach dem Rauswurf ein geöffnetes Fenster in unserem Sein entdecken, dringen sie wieder in unser mentales Heim ein und stören unseren inneren Frieden erneut.

Wenn Sie die Gelegenheiten, in denen eine ungute Gewohnheit lockt, reduzieren, fallen Sie seltener in alte Muster zurück. Zum Beispiel:

  •  Wenn Sie keine Süssigkeiten kaufen, entfällt der Schokoriegel vor dem Schlafengehen notgedrungen.
  •  Mit einer App (z.B. der App Offtime) können Sie bestimmte Programme und Benachrichtigungen blockieren. So fällt es Ihnen leichter, temporäre handy-freie Phasen in Ihren Tagesablauf zu integrieren.

 

5. Schritt: Die Situationen betrachten, in denen wir gewohnheitsmässig handeln

Wann lockt der Gang zum Kühlschrank trotz Sättigungsgefühl? Wenn wir angespannt sind? Traurig? Wenn wir uns innerlich leer fühlen?

Wann geben wir viel Geld aus, wann rauchen wir oder beschimpfen uns innerlich?

Welche Situationen lösen in uns welches Verhalten aus?

Ein achtsames, urteilsloses Betrachten der Situationen, in denen ungute Gewohnheiten aufbrechen, kann sich lohnen. Wir verschaffen uns dadurch gewissermassen einen Vorsprung: Erkennen wir die auslösende Situation, gelingt es uns bei regelmässigem Üben zunehmend, die reaktiven Verhaltensmuster noch vor oder im Entstehen zu erkennen und die entsprechenden Impulse loszulassen.

 

6. Schritt: Nachsicht üben und dranbleiben

Wir dürfen der Tatsache Rechnung tragen, dass wir Gewohnheitstiere sind. Gewohnheiten sind hartnäckig; ihr Ändern oder Loslassen fällt schwer. Ein Rückfallen in eine alte Gewohnheit dürfen wir daher als etwas ganz Normales, Natürliches akzeptieren. Da wir den Rückfall erkannt haben, sind wir auf dem richtigen Weg und haben bereits viel an Erkenntnisarbeit geleistet. 

Nehmen Sie sich nicht zu viel vor: Es reicht vollends, wenn Sie alle paar Monate einer Gewohnheit ernsthaft zu Leibe rücken. Bedenken Sie: Im Durchschnitt dauert es mehr als zwei Monate, bis eine Gewohnheit aufgebaut oder abgebaut ist (Schimmig, 11.07.22).

 

7. Schritt: Gewohnheiten auf-/abbauen als Gemeinschaftsprojekt

Gemeinsam mit anderen eine heilsame Gewohnheit aufzubauen oder eine schädliche Gewohnheit abzubauen, kann Ihrem Vorhaben enormen Schwung verleihen. Das gegenseitige Motivieren kann Ihnen über gelegentliche Tiefs und das Gefühl von Rückschlägen hinweghelfen.

 

Ausblick

Welche Gewohnheiten möchten Sie abbauen? Ich möchte Sie dazu einladen, sich eine Gewohnheit herauszupicken und sich ihrer liebevoll zuzuwenden.

Für die nächsten Monate nehme ich mir einen harten Brocken vor: den Abbau des inneren Scheltens bei Fehlern – dazu gehört auch das Schelten, wenn ich mich beim Schelten ertappe.  😅 



Quellen: